Telekom möchte DSL-Flatrate einschränken – Netzneutralität in Gefahr?
Mit einem echten Aufreger-Thema startete letzte Woche Freitag der Podcast Fanboys.fm eine Welle der Entrüstung gegen die Deutsche Telekom in den Medien, Blogs und Magazinen.
Telekom soll angeblich DSL-Drosselung einführen.
Auslöser des Beitrags ist eine dem Podcast-Team zugespielte, anonyme Email, die ankündigt, der Konzern wolle die in den DSL-Verträgen oft enthaltenen Punkte zur Drosselung der Bandbreite ab einem bestimmten Volumen nun auch im Festnetz in die Tat umsetzen. Bisher mag dieses zwar in einigen Verträgen verankert sein, wird aber allgemein nicht umgesetzt. Angeblich soll sich dies bis Ende Mai 2013 nun ändern.
Bekannt sind diese Bandbreitenbegrenzungen, im Volksmund Drosselung genannt, aus dem Mobilfunknetz. Hier ist es üblich, trotz einer „Flatrate“ die Geschwindigkeit nach Übertragung eines bestimmten Volumens massiv einzuschränken. Typischerweise wird im Mobilfunknetz bei UMTS oder GSM auf die Geschwindigkeit von GSM-EDGE herabgeschaltet. EDGE überträgt zwischen rund 60 kBit/s und 450 kBit/s, je nach Auslastung des Netztes und Verfügbarkeit der Funkschnittstelle.grundsätzlich sind diese Pläne nicht neu. Golem berichtete bereits 2012 über ähnlich gelagerte Überlegungen des Telekom-Konzerns.
Einheitliche Geschwindigkeit 384 kBit/s
Geplant ist angeblich, die Geschwindigkeit bei Überschreiten des Volumens auf 384 kBit/s zu senken. Dies entspricht der sechsfachen ISDN-Geschwindigkeit. Hiermit sind Dienste wie Email, Chats und auch Surfen auf Webseiten (ohne allzu viele Grafiken) durchaus möglich. Videos von Youtube, MyVideo und andere werden aber sicherlich eher keinen Spaß mehr bereiten, da die Videos bereits in normalen Auflösungen schneller ablaufen, als sie nachgeladen werden können.
Die laut „Fanboys.fm“ angestrebten, maximalen Volumina liegen pro Monat bei 75 Gigabyte bei normalen DSL-Anschlüssen, 200 Gigabyte bei Anschlüssen mit VDSL sowie 300 GB bzw. 400 GB bei Glasfaseranschlüssen.
Damit ist die Nutzung von beispielsweise HD-Videos an einem normalen DSL-Anschluss schnell passé. Bereits nach drei oder vier HD-Filmen wäre das Volumen ausgeschöpft. Auch bei VDSL reicht das Volumen nicht, um jeden Abend einen Film zu schauen.
Eine politische Frage
Aber auch abseits der HD-Videos werden sich massive Probleme auftun, die sicherlich auch in politische Regionen reichen werden. Mit einer solchen Beschränkung wird auch die Wirtschaft massiv getroffen. Wer einen eingerichteten Heimarbeitsplatz im Sinne eines Teleworkers hat, ist auf einen schnellen Internetzugang angewiesen. Auch kleine Firmen würden durch einen solchen Einschnitt massiv beschränkt, sollte sich dieses Szenario auch in Altverträgen umsetzen lassen. Selbst die regelmäßige Nutzung von Diensten wie Dropbox et al ist zu Überdenken.
Telekom dementiert schwach
In einem Blogbeitrag reagiert die Telekom zugig auf das Gerücht, gibt aber zumindest die Überlegungen in diese Richtungen in gewisser Weise zu. Selbst auf Twitter und Facebook postet die Telekom dazu. Der grundsätzliche Tenor des Dementis ist, dass sich für bestehende Verträge nichts ändert. Andererseits verteidigt und erklärt der Blogbeitrag der Telekom den Gedankengang damit, dass die Preise im Festnetz immer weiter fallen würden, gleichzeitig die Datenübertragungsvolumina weiter steigen würden. Dies versucht der Beitrag durch einen Bericht des Spiegels aus Juni 2012 zu stützen. Demzufolge soll sich das übertragene Gesamtvolumen weltweit bis 2016 vervierfachen. Auf Deutschland bezogen, wird eine Steigerung um das Dreifache erwartet.
Ansonsten verweist der Blogbeitrag darauf, dass es noch keine neuen Tarife mit Drosselung gäbe und man darüber informieren würde, wenn es denn soweit sei.
Bundesnetzagentur prüft Netzneutralität
In einer aktuellen Pressemitteilung kündigt die Bundesnetzagentur an, die Netzneutralität zu prüfen. Auf der Internetseite www.initiative-netzqualitaet.de können Bürger prüfen, ob ihr Datenverkehr für bestimmte Dienste eingeschränkt wird. Mit diesen Messungen will die Bundesnetzagentur ermitteln, welche Teilaspekte der Netzneutralität in Deutschland umgesetzt sind.
Kommentar: Worum geht es?
Vordergründig geht es vermutlich um mehr Geld.
Bereits das Angebot auf dem Mobilfunkmarkt macht deutlich, dass man durch Drosselung mehr Geld verdienen kann. Hier werden sogenannte „Flatrates“ mit verschiedenen Volumengrenzen angeboten, die entsprechend teurer sind, je mehr „schnelles Internet“ zur Verfügung steht. Schränkt man die DSL-Nutzbarkeit ein, kann man auch weitere Datenkontingente pro Monat an den Mann bringen. So gesehen ist die DSL-Drosselung eine Preiserhöhung.
Das die Preise im Festnetz sinken und gleichzeitig die Datenvolumen steigen, mag stimmen. Aber es bleibt die Frage, ob dies denn tatsächlich dazu führt, dass die Telekom investieren muss, um das zu leisten? Natürlich muss die Telekom regelmäßig Hardware im hauseigenen Backbone tauschen. Geht mit diesem regelmäßigen Austausch nicht auch eine Produktverbesserung einher? Ist das eine Investition oder ein Erhalt der Technik, die sich quasi evolutionär sowieso weiter entwickelt? Natürlich ist es glaubhaft, dass die Telekom auch in diesem Bereich die eine oder andere neue Leitung legen muss und dies will auch finanziert sein.
Auch ist es doch politischer Wille, dass die Bandbreiten zu den Haushalten in Zukunft weiter verbessert werden – sei es durch Verbesserungen in der DSL-Technik oder durch Fibre to the Home (FTTH) oder Fibre to the Building (FTTB). Hier muss investiert werden, soll der Standort Deutschland weiter attraktiv bleiben – keine Frage, aber dies hat nichts mit Drosseln im DSL-Netz zu tun.
Schritt gegen die Netzneutralität
Ein weniger offensichtlicher Grund dürfte der Schritt gegen die Netzneutralität sein. Dies lässt sich beispielsweise an der Betrachtung von Video-on-Demand-Diensten ablesen. Diese „belasten“ das Internet mit immer größeren Datenvolumen. Die Kosten tragen der Carrier wie beispielsweise die Telekom. Mit der DSL-Drossel gibt die Telekom diese Kosten indirekt an die Kunden weiter, so weit, so gut. Jetzt könnte die Telekom aber an dieser Stelle beispielsweise die von dem Telekom-Dienst „Entertain“ übertragenden Datenvolumen aus dem Frei-Kontingent ausklammern. Damit würde der providereigene Dienst klar bevorzugt. Ein ähnliches Szenario malt VDSL-News in einem Beitrag – hier will der redakteur dies sogar von einem Sprecher der Telekom bestätigt haben.
Im Telekom-Mobilfunk wird bereits Spotify gegenüber anderen Diensten bevorzugt – vielleicht ein Zeichen, wo die Reise hingeht?
Kategorie: Internet, Nachrichten